Gesetzeslücken machen einheitlichen Vollzug der bedarfsorientierten Mindestsicherung schwierig!

Mag.a Dr.iur Karin Schableger und Mag.a Brigitta Schmidsberger zu Gast beim Armutsnetzwerk OÖ im Linzer Cardijnhaus.
Mag.a Dr.iur Karin Schableger und Mag.a Brigitta Schmidsberger.

Das Armutsnetzwerk OÖ hatte am 13. Jänner Mag.a Brigitta Schmidsberger (Magistrat der Landeshauptstadt Linz – Leiterin Amt für Soziales, Jugend und Familie) und Mag. Dr. iur. Karin Schableger (Juristin, Amt für Soziales, Jugend und Familie) zu einer Fragestunde zur Mindestsicherungspraxis in Linz geladen. Viele ExpertInnen aus Sozialorganisationen nutzten die Gelegenheit, um sich zu informieren und auf aktuelle Probleme aufmerksam zu machen.

BeraterInnen aus oö. Sozialeinrichtungen sahen sich in der letzten Zeit mit ähnlichen Problemen ihrer KlientInnen konfrontiert. Deshalb suchte das Armutsnetzwerk OÖ den Kontakt mit VertreterInnen der Behörde, um im Gespräch die wichtigsten offenen Fragen zur Mindestsicherungspraxis in Linz zu klären. Frau Mag.a Schmidsberger erklärte vorweg, dass seit Einführung der BMS die Anzahl der BMS-BezieherInnen um 89 % gestiegen ist. Sie betonte, dass Entscheidungen über BMS-Gewährung häufig an Verfahren aus anderen Gesetzesbereichen gebunden sind. Das Amt für Soziales, Jugend und Familie habe die klare Intention, die BezieherInnen dabei zu unterstützen, wieder unabhängig von der BMS zu werden.

Antragstellung

Grundsätzlich muss jeder Antrag entgegengenommen werden, dieser müsse jedoch in Minimal-Qualität vorhanden sein, wobei es Hilfestellung beim Ausfüllen der Anträge gibt. In Ausnahmefällen kann es sein, dass KlientInnen, deren Einkommen sich bereits bei der Erstberatung als zu hoch erweist, von der Antragstellung abgeraten wird. Anträge werden auf ausdrücklichen Wunsch zwar auch beim AMS angenommen. Der Kontakt mit dem Magistrat ist jedoch trotzdem jedenfalls erforderlich. Auch Sozialberatungsstellen nehmen keine Anträge entgegen. Frau Mag.a Schmidsberger begründete dies damit, dass bei der Antragstellung auch wichtige Klärungen besprochen werden und fehlende Unterlagen gleich eingebracht werden können und damit auch den AntragstellerInnen gedient sei.

Susanne Stockinger (Verein AhA) warf ein, dass damit der Grundgedanke verloren ginge, dass AntragstellerInnen nicht unbedingt zum Amt für Soziales, Jugend und Familie müssen. Die Scham sei bei vielen Betroffenen sehr hoch. Frau Mag.a Schmidsberger erwiderte, dass die Menschen den Magistrat nicht meiden sollten, sondern sich die Institution darum bemühen, Hemmschwellen abzubauen. Es werden im Rahmen der Beratungen auch wichtige Hilfestellungen angeboten.

Eine telefonische Terminvereinbarung ist möglich, und zwar am besten ab 12.00 Uhr, da die SachbearbeiterInnen am Vormittag sehr viele KlientInnen betreuen.

Ab Mai 2015 wird das Stadtteilzentrum Franckviertel eröffnet, wo für den Bereich Franckviertel auch BMS-Leistungen angeboten werden.

Selbsterhaltungsunfähigkeit

Dieser Punkt ist im Gesetz nicht eindeutig formuliert. Das klare Ziel ist, dass der Vollzug bei allen MitarbeiterInnen einheitlich ist. Die Behörde geht davon aus, dass bei Antrag auf BMS Selbsterhaltungsunfähigkeit besteht. Sie wird im Einzelfall bewertet und ist von der Zukunftsprognose sowie der letzten Beschäftigung abhängig. Je länger eine Person voraussichtlich arbeitslos bleiben wird, desto eher besteht Unterhaltspflicht. Die letzte Beschäftigung muss mindestens 6 Monate gedauert haben und ein Einkommen über dem Ausgleichszulagenrichtsatz (EUR 870) ermöglicht haben.

Mitwirkungspflicht

Heidi Zwettler (Exit-sozial) stellte klar, dass besonders KlientInnen mit psychischen Erkrankungen überfordert und bei einer Kürzung der BMS durch Verletzung der Mitwirkungspflicht nicht ausreichend versorgt sind. Sie betonte, dass nicht jede/r in den Arbeitsmarkt integrierbar sei und sich das Armutsnetzwerk OÖ für eine Existenzsicherung einsetzen müsse. Frau Dr.in Schableger erläuterte, dass bei Verletzung der Mitwirkungspflicht ein Minimum für die unmittelbare Bedarfsdeckung vorgesehen ist (für Miete, Heizung, Strom und ca. EUR 200,- für Lebensmittel im Monat).

Arbeitsfähigkeit

Die Arbeitsfähigkeit wird vom AMS geklärt, nicht vom Amt für Soziales, Jugend und Familie. Bei Teilarbeitsfähigkeit werden Gutachten vom Kompetenzzentrum herangezogen bzw. angefordert. Der Betreuungsplan wird ebenfalls vom AMS übernommen. Wenn BezieherInnen aus eigenem Verschulden das Arbeitslosengeld gesperrt wird, zieht sich auch das Amt für Soziales, Jugend und Familie zurück.

Einstellungen oder Änderungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung MÜSSEN mit Bescheid erfolgen.

Unmittelbare Hilfe

Unmittelbare Hilfe für Sonderfälle ist enorm wichtig. Die gesetzliche Frist, innerhalb der über einen BMS-Anspruch zu entscheiden ist, beträgt 3 Monate. Die Dringlichkeit wird allerdings bereits bei Antragsentgegennahme geprüft, um allenfalls mit der Auszahlung früher beginnen zu können. Eine Sofortleistung ohne Plausibilitätsprüfung erfolgt allerdings nicht. Davon sind derzeit auch besonders AsylwerberInnen mit einem positiven Asylbescheid betroffen. Die Zeitspanne zwischen dem Auszug aus dem Quartier und einem positiven BMS-Bescheid ist zu lang.

Überbrückung BMS zu Pension

Es gibt Fälle, wo die Mindestsicherung nicht mehr ausbezahlt wird, weil bereits Pensionsanspruch besteht, die Pension aber erst nachbezahlt wird. Auch in diesem Monat entstehen allerdings Kosten, die viele Menschen nicht aufbringen können. Eine Überbrückung wird vom Amt für Soziales, Jugend und Familie gewährleistet.

Beschwerden und Anregungen sind an den neuen Abteilungsleiter des Amtes für Soziales, Jugend und Familie zu richten. Eine Prüfung ist allerdings nur mit Bekanntgabe des Namens möglich.

Das Armutsnetzwerk OÖ bedankt sich bei Frau Mag.a Schmidsberger und Frau Dr.in Schableger für das interessante und angenehme Gespräch.

Sozialplattform

Die Sozialplattform ist ein regionales Netzwerk von Sozialeinrichtungen in ganz Oberösterreich, das 1985 gegründet wurde. 38 Vereine und gemeinnützige Unternehmen sind zurzeit Mitglied. Vernetzung, Service, Information und Vertretung für eine starke und aktive Sozialszene in OÖ. www.sozialplattform.at