Die Armutskonferenz hat den zweiten Mindestsicherungs-Faktencheck zur Behauptung, in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) würden „Unsummen ausgezahlt“, veröffentlicht.
„Wir haben allein in Oberösterreich hunderte Familien, die mehr als 2.000 Euro Mindestsicherung bekommen“, wurde in den letzten Wochen von Politikern behauptet – und über 50 mal in Interviews und Kommentaren wiederholt. Die Armutskonferenz hat recherchiert und nachgerechnet.
Das Ergebnis: Die Realität ist nicht so simpel, wie man uns glauben machen will.
Die verfügbaren Daten zeigen, dass weniger als 3% der BMS-Haushalte für einen 2.000 Euro Bezug überhaupt in Frage kamen – und deren Mindestsicherungsleistungen weit unter 2.000 Euro lagen. Im Schnitt erhielten die verschiedenen Haushalte nur 39% der Summe, die für ihre Haushaltskonstellation maximal möglich waren.
ERGEBNIS NR. 1: WENIGER ALS 3% MIT 2.000 Euro MINDESTSICHERUNG
Es gibt (nicht bloß) in OÖ nur wenige Haushalts-Typen, die theoretisch 2.000 Euro oder mehr an Mindestsicherungs-Leistungen (BMS) beziehen können. Paar-Haushalte brauchten dafür im Jahr 2014 mindestens 4 Kinder, Haushalte von AlleinerzieherInnen mindestens 6.
Im Jahr 2014 gab es in OÖ zwischen 311 und höchstens 324 Haushalte, die aufgrund der Zahl ihrer
Familienmitglieder grundsätzlich dafür in Frage kamen, einen BMS-Maximal-Bezug von mindestens 2.000 Euro erreichen zu können. Das sind weniger als 3% aller BMS-
unterstützten Haushalte des Jahres 2014.
ERGEBNIS NR.2: TATSÄCHLICH AUSBEZAHLTE HÖHE DER MINDESTSICHERUNG UM 61% GERINGER
Die verfügbaren Daten zeigen, dass die tatsächlich gewährten Leistungen weit unter den maximal möglichen lagen. Im Schnitt erhielten die verschiedenen Haushalte nur 39% der Summe, die für ihre Haushaltskonstellation maximal möglich war. Im wirklichen Leben sind die Summen weit geringer, und zwar um 61%.
Bei Paaren mit 2 Kindern nicht 1.660 Euro, sondern tatsächlich 743 Euro, mit 4 Kindern nicht 2.048 Euro, sondern 783 Euro. Oder Alleinerziehende mit 3 Kindern nicht 1.501 Euro sondern tatsächlich 537 Euro, mit 4 Kindern nicht 1.685 Euro sondern 890 Euro.
Was in der Debatte verschwiegen wird: Die BMS steht in der großen Mehrheit der Fälle nicht in maximaler Höhe zu. Die Mindestsicherung gehört nicht zu den Sozialleistungen, die in der Höhe fix geregelt sind und die deshalb alle in gleicher Höhe erhalten (wie z.B. die Familienbeihilfe oder das Pflegegeld). Aufgabe der BMS ist es, bereits vorhandene Einkommen im Haushalt bis zu einer vorgegebenen Höhe (den so genannten „Mindeststandards“) aufzustocken. Als „aufzustockende Einkommen“ kommt vieles in Betracht: Erwerbseinkommen, AMS-Leistungen (Arbeitslosengeld und Notstandshilfe), Reha- und Umschulungsgeld bei vorübergehender Invalidität, Alimentations- und Unterhaltszahlungen, Kinderbetreuungsgeld, etc. Die Ausgangsbasis für die Berechnung der zustehenden Leistung ist das Haushaltseinkommen.
Das ist auch der Grund, warum gleich zusammengesetzte Haushalte unterschiedlich hohe BMS-Leistungen erhalten: eben weil die Summe der Einkommen in verschiedenen Haushalten trotz gleicher Größe unterschiedlich hoch ist.
Weiters zeigen die Daten, dass die überwiegende Mehrzahl Mindestsicherung kurzzeitig bezieht. Die durchschnittliche Bezugsdauer beträgt zwischen 6 und 9 Monaten, bei 20% der unterstützten Haushalte ist sie kürzer als 3 Monate. Viele kommen raus, andere pendeln zwischen prekären Jobs und BMS, andere arbeiten mit Teilhilfe aus Mindestsicherung in schlecht bezahlten Jobs. DauerbezieherInnen sind in Wien beispielsweise unter 10%.